Die Kunst des Schenkens

Was ist ein Geschenk? Und wann wird ein Geschenk zu einem Geschenk? Ritsch, ratsch, Preisschild runter und Geschenkpapier drum und fertig? Ist das ein Geschenk? Zählt ein Geschenk, das eigentlich eine Pflichtabgabe ist, zu den Geschenken im klassischen Sinn? Also angenommen,  die Freundin des Bruders ist ein falsches Aas, das man eigentlich überhaupt nicht leiden kann. Aber um ihn nicht zu verletzen, beschenkt man sie zu ihrem Geburtstag. Am liebsten würde man es ihr vor die Füße werfen. Aber das geht nicht mit einem Geschenk. Das widerspräche der Idee von einem Geschenk. Es ist eine hauchdünne Linie, die das Geschenk von der Abgabe trennt.

 Zunächst ist der Rahmen, in dem geschenkt wird, von Belang. Eltern beschenken ihr Kind zum Geburtstag. Den Brautpaaren dieser Welt wird in den Hochzeit Locations dieser Welt die fünfte Kaffeemaschine geschenkt. Kollegen überreichen ihrem scheidenden Kollegen ein Abschiedsgeschenk. Der Rahmen ist stets ein feierlicher; durch eine Kerze auf dem Tisch, festliche Kleidung und die eventuelle Anwesenheit von anderen.

Ein Geschenk erfolgt heute nicht spontan. Die Schenkenden machen sich im Vorfeld allerlei Gedanken über das Geschenk, das für den Beschenkten meist eine Überraschung ist. Sei es die Fahrt auf einem Wasserfahrrad, der Flug mit einem Kampfjet oder der Auftritt eines Angela Merkel Doubles. Ob es sich dabei um eine gelungene Überraschung handelt, zeigt die Reaktion des Beschenkten. Der GAU tritt ein, wenn das Geschenk nicht gefällt. Eine sozial überaus kitzelige Situation bahnt sich an. Wenn der Beschenkte seine Enttäuschung oder seinen Mißfallen äußert, verliert der Schenkende sein Gesicht. In der Art, in der ein gelungenes Geschenk für die Festigung einer Beziehung sorgen kann, ist ein falsches Geschenk in der Lage, eine Beziehung zu erschüttern.

Womit auch gleich der Zweck des Schenkens in den Focus rückt. Vorrangig dienen Geschenke dazu, eine Bindung zu stärken oder herzustellen. Auch wenn ein Geschenk freiwillig gegeben und genommen wird, entsteht doch die unausgesprochene Verpflichtung eines Gegengeschenkes. Irgendwann einmal. Als Empfänger wird man in eine Beziehung gedrängt, die man vielleicht nie eingehen wollte. Also jemandem etwas schenken zu müssen, zu dem man nicht unbedingt näheren Kontakt haben will. Und so entstehen mit dem ersten Geschenk oft lästige Bindungen und Verpflichtungen, denen man dann, selbst nach einem Gegengeschenk, nicht so leicht wieder entgehen kann.

Vielleicht ist mit einem Geschenk aber auch genau das bezweckt. Eine Beziehung aufzubauen, die eine Gegenleistung nach sich zieht. Wie sieht die Sache aus, wenn – vielleicht trotz Geburtstag – der Empfänger als Beamter über öffentliche Bauaufträge mitzuentscheiden hat, der Geber Bauunternehmer und die Gabe ein mit Geldscheinen gefüllter Briefumschlag ist? Je nachdem, um welchen Anlaß, um welche Situation und welchen Geber es sich handelt, hat der Adressat blitzschnell zu entscheiden, ob er annehmen darf. Beziehungsweise ob und wie er das Angebot zurückweist.

Sich als Beamter auf Gesetz und Paragraphen zurückzuziehen, ist da noch eine leichte Übung. Fürderhin ist man zu nichts verpflichtet, außer dem Dienst am Staat. Ein Geschenk von jemandem zurückzuweisen, den man offiziell nicht vergrämen will, dem man jedoch auch nicht verpflichtet sein will, erfordert hingegen ein diplomatisches Händchen. Das ist eine hauchdünne Linie, die eine leichte Verstimmung vom schweren Affront trennt. Und sie ist gepflastert mit Fettnäpfchen.